Neben hochrangigen Treffen mit politischen Vertreter:innen auf Landes- und Gemeindeebene standen auch Vorträge, Regionaltreffen, feierliche Eröffnungen sowie Besuche in Klimabündnis-Schulen und -Betrieben auf dem Programm. Rund 35 verschiedene Termine und Formate wurden in drei intensiven Wochen genutzt, um direkten Austausch und tiefe Einblicke zu fördern. Da der Besuch im Vorfeld der COP29 in Azerbaijan stattfand, waren die vielfältigen Herausforderungen und Lösungsstrategien im Zusammenhang mit der Klimakrise und ihren Folgen für die indigene Bevölkerung am Rio Negro zentrales Thema vieler Diskussionen.
“Der Klimawandel betrifft den Amazonas heute genauso wie viele andere Regionen weltweit und ist vor allem in den letzten Jahren immer spürbarer geworden: Bedrohungen für Ernährungssouveränität, Gesundheit und Mobilität der Menschen sind nur einige der Auswirkungen. Besonders El Niño und La Niña-Ereignisse, deren Auswirkungen durch die Klimakrise noch verschärft werden, haben weitreichende Folgen für dieses zerbrechliche Ökosystem.“ Ana-Letícia Pastore Trindade vom ISA weiß, dass sie in den letzten Jahren nicht nur häufiger, sondern auch extremer geworden sind.
Umso wichtiger empfinden die Vertrer:innen aus dem Rio Negro-Gebiet deshalb Möglichkeiten wie den 3-wöchigen Austausch im Rahmen ihres Delegationsbesuchs hier in Österreich. „Diese Reisen und die internationale Vernetzung geben uns die Möglichkeit, globale Aufmerksamkeit für unsere Herausforderungen zu bekommen. Es ist wichtig, dass wir selbst darüber sprechen, da die Probleme von Region zu Region verschieden sind und Amazonien nicht über einen Kamm geschert werden darf“, erzählt FOIRN-Vize-Präsidentin Janete Figueredo Alves, die selbst bereits bei mehreren internationalen Foren stellvertretend für die 24 Völker des Rio Negro sprechen durfte – bei der UNO in Genf und zuletzt sogar bei der Climate Week in New York.
Ein besonderer Rahmen für diesen intensiven Austausch wurde dabei heuer erstmals in St. Pölten geschaffen: Bei einem ganztägigen Workshop mit Gemeindevertreter:innen wurden Brücken zwischen den Welten geschlagen. „Es ist inspirierend zu sehen, wie engagiert die Bürgermeister:innen sind und was für ein starkes Netzwerk sie aufgebaut haben. Das ist wichtig, um wirksame Lösungen gegen die Klimakrise zu entwickeln. Diesen Zusammenhalt zwischen Zivilgesellschaft und Politik wünsche ich mir für unsere Region und hoffe auf konstruktive Zusammenarbeit mit dem neugewählten (Okt. 2024) Bürgermeister von São Gabriel da Cachoeira“, fasst Janete Figueredo den Austausch zusammen.
Doch auch in Österreich gibt es viel von den Partner:innen zu lernen. Ein Vortrag der Delegation im Rahmen des Jahrestreffens der Mitgliedsgemeinden in NÖ beeindruckte viele der Besucher:innen nachhaltig. Die Learnings reichen von „Ich bin beeindruckt, mit welchem Nachdruck und Engagement die Partner:innen kämpfen und arbeiten. Davon können wir uns etwas abschauen“ über „Unseren Kindern Regionale Schulverpflegung ermöglichen – der Rio Negro macht’s vor“ bis hin zu „Waldlandwirtschaft als Kulturgut – einfach genial“.
Neben Besuchen politischer Akteur:innen dienen die Reisen seit jeher auch dem Austausch über nachhaltige Methoden und Wirtschaftspraktiken zur Förderung der kulturellen und ökologischen Vielfalt in beiden Regionen. Besonders hervorzuheben sind dabei einige Stationen in Oberösterreich: Die Delegation traf sich mit Vertretern aus der Imkerei (Bienenfreundliche Gemeinde St. Florian), Fischerei (Franz Wiesmayr, der letzte Donaufischer Österreichs) und der solidarischen Landwirtschaft (Almgrün), was zu einem lebhaften Austausch über traditionelle Arbeitsmethoden und Wissen führte. Dies verdeutlichte erneut, wie eng unsere Welten trotz der geografischen Distanz miteinander verbunden sind.
„Am Rio Negro arbeiten FOIRN und ISA seit einigen Jahren intensiv an der Ausarbeitung von Wertschöpfungsketten zum Erhalt und zur Förderung der Soziobiodiversität – also der kulturellen und ökologischen Vielfalt, die seit Jahrtausenden in der Region erhalten ist“, erklärt Lieferketten-Expertin Ana-Letícia Pastore Trindade. „Wir suchen nach Möglichkeiten, den Menschen Einkommensquellen zu bieten, die gleichzeitig einen Beitrag zum Erhalt des Regenwalds leisten, indem sie Landflucht verhindern. Es ist schön zu sehen, dass auch in Österreich Menschen daran arbeiten, traditionelle Praktiken in der Landwirtschaft und der Fischerei zu erhalten und damit Widerstand gegen die Ausbeutung unserer Natur leisten“, resümiert sie ihre Eindrücke.
Einen wertvollen Beitrag zum Erhalt der wenigen ursprünglichen Wälder hier bei uns in Österreich leistet auch das Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal, das auf einer Fläche von 400ha Österreichs letzten großen zusammenhängenden Urwald schützt. Der Besuch dieses seit der letzten Eiszeit vor knapp 12.000 Jahren erhaltenen Waldes zeigt deutlich, wie unterschiedlich die Ansätze im Naturschutz in unseren beiden Regionen sind. „Wir begreifen uns Menschen als Teil des Waldes und schützen diesen, indem wir in ihm leben und ihn landwirtschaftlich nutzen. Wir bauen viele verschiedene Pflanzen im Wald an, die später zu Bäumen werden und dadurch für sauber Luft, sauberes Wasser und ein gutes Klima sorgen. Große Konzerne sorgen nicht nur im Amazonas, sondern auch hier in Europa dafür, dass Wälder so bedroht sind, dass sie nur noch geschützt werden können, indem sie nicht mehr von den Menschen genutzt werden. Das finde ich schade, denn die Beziehung zwischen Mensch und Natur ist für uns indigene Völker ein wichtiger Grundpfeiler für den Erhalt von Vielfalt“, resümiert Janete Alves ihre Eindrücke. „Trotzdem ist es schön, zu sehen, wie alt und groß die Bäume hier sind und wie vielfältig dieser Wald im Gegensatz zu vielen anderen Wäldern ist, die wir bei dieser Reise durch Österreich sehen durften.“ Auch ein Besuch in der Gemeinde Haiming, wo die hiesige Bürgermeisterin inmitten von Energiekonzern-Interessen bemüht ist, ein Waldschutzgebiet von 91ha durchzusetzen, zeigte dabei wie wichtig der Einsatz einzelner engagierter Menschen ist. „Wir wünschen diesen Menschen viel Kraft, um ihre Lebensgrundlage, den Wald, der uns mit frischer Luft versorgt, auch weiterhin zu schützen!“
Da die am Rio Negro jahrtausendlang gehegte Vielfalt jedoch durch den Klimawandel immer stärker bedroht wird, berichtete die FOIRN im Zuge der Reise auch über ihre Pläne zum Aufbau einer Fach-Abteilung zur Bekämpfung des Klimawandels. Diese soll Verantwortliche ausbilden, die Daten aufbereiten, Strategien entwickeln und Projekte umsetzen, um konkrete Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu erarbeiten. Ein Schwerpunkt liegt auf politischem Lobbying, um den brasilianischen Staat zu Lösungen zu drängen, die an die indigenen Territorien angepasst sind. „Die Abteilung soll sich mit der Wasserversorgung, erneuerbaren Energien und Müllmanagement befassen und gleichzeitig Bildungsangebote und Umsetzungspläne für Projekte entwickeln“, fasst Dario Baniwa die Pläne der Organisation zusammen.
Auf die Frage, was seine Wünsche an die Zukunft und an unsere Gesellschaft hier in Österreich und Europa sind, findet FOIRN-Präsident Dario Casimiro Baniwa klare Worte:
„Wir werden weiterhin Widerstand leisten und rufen alle dazu auf, sich für die kulturelle und ökologische Vielfalt unserer Welt einzusetzen. Es muss ein größeres Bewusstsein für Nachhaltigkeit geschaffen werden, und es müssen mehr saubere Alternativen zu den aktuellen Wirtschafts- und Energiesystemen genutzt werden. Territorien und Flüsse müssen intakt bleiben, nicht nur im Amazonasgebiet, sondern auch hier in Europa. Unsere Allianz zwischen FOIRN, ISA und Klimabündnis Österreich muss weiterhin ein Vorbild für Nachhaltigkeit bleiben. Wir von der FOIRN hoffen, dass das Bewusstsein für diese Themen weiter wächst, da es die Umsetzung erleichtert. Die Verantwortung für unsere Umwelt liegt bei uns Menschen – es ist unsere gemeinsame Aufgabe, uns darum zu kümmern. Unser gemeinsames Ziel sollte es daher sein, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, als Chancen für die Zukunft zu sehen.“
Fehring, Stadt Graz, St. Paul im Lavattal, Ferlach, Villach, Bannberg bei Lienz, Land Oberösterreich, St. Florian, Stadt Innsbruck, Land Tirol, Haiming, St. Johann im Pongau, Land Salzburg
Berghofer Mühle, Gerberhaus Fehring, Biohof Pflügelmeier (pepi’s),Solawi Almgrün, Grüne Erde im Almtal, Hollaberer Hof (Franz Wiesmayr), Alpenzoo, Turmmuseum Ötz, Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal
LFS Hatzendorf, Katholische Hochschulgemeinschaft Klagenfurt, Fachberufsschule St. Veit an der Glan, Elisabethinum St. Johann im Pongau, Grüne Senior:innen Salzburg, Ober-Grafendorf, Mittelschule Kilb