Nun hat der Klimanotstand auch das größte, zusammenhängende Feuchtgebiet der Erde, die indigenen Territorien am Rio Negro, die Klimabündnis Partnerregion, erreicht. Dort, wo nachhaltige Kreislaufwirtschaft den Alltag prägt, eine Abholzungsrate von 0,06% den Erhalt des Regenwaldes garantiert, wo indigene Umweltbeauftragte sorgsam die Klimawandelfolgen dokumentieren und in den Gemeinden die nötigen Anpassungen entwickeln, schlägt der globale Klimawandel zu: nach den katastrophalen Überschwemmungen des Vorjahres trocknen die Flüsse aus. Der Rio Negro ist für die Wasserversorgung der gesamten Region bis in die Metropole Manaus ausschlaggebend, bis zu 120.000 Familien könnten betroffen sein.
Der Wasserstand sinkt täglich um ca. 10 cm, das Wasser verschlammt, ist voller Tierfäkalien. Die Trink- und Nutzwasserversorgung ist in der gesamten Region gefährdet. Durch den niedrigen Wasserstand steigen die Wassertemperaturen auf bis zu 39 Grad an. Rosivaldo Lima Miranda, Bewohner des Uaupés, vom Volk der Piratapuya, berichtet vom heißen Wasser im Fluss, die Bevölkerung leide unter Durchfall und Kopfschmerzen. Tausende Fische sind bereits in anderen Teilen des Amazonas verendet, über 120 Süßwasserdelphine starben weiter südlich, am Lago Tefé.
Notbrunnen müssen geschlagen werden, um die Grundbedürfnisse befriedigen zu können.
Ein weiteres Problem der austrocknenden Flüsse ist der Plastikmüll, der zu Tage tritt und an die Ufer geschwemmt wird. Letztlich ist er nur ein weiteres Signal für behördliches Versagen und die globale Klimaungerechtigkeit: die explodierende, weltweite Plastikproduktion hat längst den Amazonas überschwemmt, aber in der gesamten Region existiert bis heute keine organisierte Müllaufbereitung. So landen die (auch toxischen) Abfälle im Wasser, im Wald oder werden gar vor Ort verbrannt.
Die Versorgung mit Lebensmitteln und Treibstoffen erfolgt fast ausschließlich über die Schifffahrt. Der Wassertiefstand verunmöglicht den Schiffsverkehr, die Zufahrt von Manaus ist nicht mehr möglich. Bereits jetzt sind erste Engpässe zu spüren, in São Gabriel fehlen Grundnahrungsmittel und Mineralwasser. Das lokale Transportwesen der Region ist zusammengebrochen – die Beschiffung der kleinen Nebenarme ist unmöglich geworden, Schüler:innen können nicht mehr die Schulen besuchen, Waren kommen nicht mehr auf die Märkte, die Kranken werden nicht mehr versorgt.
Die kleinen Wasserläufe, die den Bewohner:innen die Zufahrt zu ihren Feldern und Pflanzungen ermöglichen, sind ausgetrocknet. Tagelange Fußmärsche sind jetzt nötig, um die Ernte einbringen zu können. Der sandige Boden auf den Pimenta-Pflanzungen speichert kein Wasser, die Ernte ist gefährdet.
Der Notstand wurde für 90 Tage ausgerufen. Hilfe durch staatliche Institutionen läuft bereits an.
Der Zugang zu sauberem Trinkwasser war in den meisten Fällen für die indigene Bevölkerung des Rio Negro seit jeher über die kleinen Nebenflüsse in Dorfnähe gedeckt. Aus diesen sogenannten Igarapés versorgten sich die Familien für den persönlichen Bedarf. Doch mit der sich zuspitzenden Klimakrise und immer häufigeren Dürren drohen diese Bäche zu versiegen. Die Trinkwasserversorgung soll nun über Anzapfen des Grundwassers erfolgen: Solarbetriebene Dorfbrunnen können künftig auch größere Dorfgemeinschaften versorgen und müssen nun in der gesamten Region installiert werden. Das Klimabündnis finanzierte solche Brunnen bereits in der Vergangenheit und weitere sind geplant.
Erste Regenfälle werden diese Woche erwartet. Dennoch ist es nach Ansicht von Expert:innen nicht möglich, diese Niederschläge als Hinweis auf das Ende der Dürreperiode zu deuten. Der El-Niño-Prozess hat die Regenzeit in der Region beeinträchtigt und bringt möglicherweise starke (negative) Niederschlagsanomalien. Ein Höhepunkt wird für Ende 2023 erwartet. Nach Angaben des Geologischen Dienstes von Brasilien (CPRM) werden die Auswirkungen und Folgen der Dürre noch im Jahr 2024 zu spüren sein.